Die Feldsteinkirche von Dessau

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Von Paul Meitz, Binde im Dezember 1997
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Die Dessauer Friedenslinde erinnert an den Vertrag von Versailles / Feldsteinkirche zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet


Figuren des gotischen Schnitzaltares zieren Empore        


Dessau. Als der heutige Ort Dessau unter seinem damaligen Namen Dyssowe erstmals urkundlich erwähnt wurde, war seine Wehrkirche schon rund 100 Jahre alt. Sie gehört zu den dreiteiligen Wehrkirchen, die zu Beginn des 13. Jahrhunderts errichtet wurden. Wie schutzsuchend schmiegt sich auch heute noch das kleine Kirchenschiff an den mächtigen Wehrturm.
Eine alte Feldsteinmauer mit einem sehenswerten Backsteintor umschließt Kirche und Friedhof. Eine große Linde neben dem Tor vervollständigt das Bild. Als Friedenslinde wurde dieser Baum im März des Jahres 1871 gepflanzt. Er soll an den Friedensvertrag von Versailles erinnern, der nicht nur den deutsch-französischen Krieg beendete, sondern auch zur Gründung des Zeiten Deutschen Kaiserreiches führte.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden an der Kirche umpfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt. Die kleinen Wehrfenster wurden entfernt und durch die noch heute vorhandenen größeren ersetzt. Gleichzeitig entstanden die beiden spitzbögigen Durchlässe zwischen Turm, Kirchenschiff und Chor. Seit dieser Zeit betritt man die Kirche durch den Eingang im Turm. Dabei fällt der erste Blick stetz auf die barocke Kanzel. Vier Gemälde eines bis heute unbekannten Meisters zeigen darauf die Evangelisten und Bibeltexte. Die Plastiken, die man nach und nach an den Wänden und der Empore entdeckt, stammen von einem gotischen Schnitzaltar aus dem 15. Jahrhundert. Es dürfte ein Altar mit der Mondsichelmadonna als Zentralfigur gewesen sein, da diese Schnitzfigur größer als alle anderen ist.
Die Plastik der Anna Selbdritt mit Maria und dem Jesuskind, von der gleichen Größe und der selben Künstlerhand, läßt sich nur schwer einordnen. Vielleicht zierte sie einmal einen Flügel des Schnitzaltars ? Der Kult um Anna Selbdritt, der Mutter Marias, ist im Orient schon seit dem 6. Jahrhundert nachweisbar. Bei uns begann er erst im 8. Jahrhundert. Die Hochblüte der Anna-Selbdritt-Verehrung lag aber erst im 15. Jahrhundert. Als Patronin der Mütter, Bergleute und Schiffer ist sie aber schon seit dem 14. Jahrhudnert bekannt. Der große Spitzbogen zwischen Schiff und Chor gibt den Blick auf einen schlichten Altar ohne Aufsatz frei. Der alte Aufsatz aus dem 18. Jahrhundert und das Kirchengestühl fielen nicht dem Zahn der Zeit, sondern zahllosen Holzwürmern zum Opfer. Schlichte Rohrstühle mit Plastiksitzen sind an die Stelle der Kirchenbänke getreten. Ein Anblick, an den sich das Auge nicht so schnell gewöhnt.


An dieser Stelle möchte ich alle Besucher dieser Seiten ansprechen, die wie ich in unserer Kirche ein einzigartiges Architekturdenkmal sehen. Dieses schöne Bauwerk, welches mit einer enormen Bauleistung durch unsere Vorfahren geschaffen wurde, sollte unbedingt auch den nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Viele Feldsteinkirchen der Altmark befinden sich in akuter Baunot. Damit diese Bauwerke eine Zukunft haben, sollte man sie nicht ausschließlich mit Glauben und Religion in Verbindung bringen.
Dieses Denkmal steckt voller Geschichte und bereichert so auf besondere Weise unser Dorfleben. Die Einbeziehung in Geschichtsvorträgen und Führungen, wie es ja schon in den Großstädten praktiziert wird, würde es noch stärker in das kulturelle Leben aller Bürger rücken lassen.

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Diese Seiten wurden von mir im Januar 2002 erstellt. Soweit der Text nicht von mir stammt, erfolgt der Abdruck mit ausdrücklicher Genehmigung der genannten Autoren, Vereine und Institutionen. Andreas Schwieger, Apenburg

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