Klein Engersen. Schlicht und bescheiden präsentiert sich die im 12. Jahrhundert
als Wehrkirche errichtete Feldsteinkirche von Klein Engersen ihrem Betrachter.
Die großen, Ende des 17. Jahrhunderts eingebauten Fenster haben ihr das
wehrhafte Aussehen genommen. Auch der aufgesetzte Ziegelturm entstand im Baustil
jener Zeit. Der Geruch von frischer Farbe, das untrügliche Merkmal einer
Renoovierung, läßt den Wunsch nach einem Blick in das Innere der
Kirche aufkommen.
Gelingt dies, so ist die Überraschung perfekt. Kaum öffnet sich die
Tür, fällt der Blick auf einen, die ganze Wand des Chorraumes ainnehmenden
Kanzelaltar. Seine Säulen und sein Giebeldach weisen darauf hin, daß
er im Stil der Renaissance errichtet wurde.
Die Renaissance, auf gut deutsch die Wiedergeburt, begann im 14. Jahrhundert
in Italien. Über Frankreich gelangte sie schließlich auch nach Deutschland.
Die Renaissance verschmolz das künstlerische Formgut der Antike mit den
Schöngeistidealen jener Zeit. Da sich dieser Baustil in Deutschlad bis
in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts hielt, ist das Entstehungsjahr
des Kanzelaltars heute auch nicht mehr feststellbar.
Erst auf den zweiten Blick entdeckt man die Bauernfahne neben der Kanzel. Eine
Urkunde an der Wand gibt darüber Auskunft.
Sie lautet:
Zur Nachricht diene, daß gegenwärtige Fahne vom Jahre 1675 zum heutigen
Tage auf dem Ackerhofe Nummer 1 allhier, welcher bis daher zugleich der Lehnschulzenhof
gewesen, aufbewahret wurden ist. Am heutigen Tage, wo das 50jährige Jubiläum
der Erhebung des Preußischen Volkes im Jahre 1813 gefeiert wurde, wurde
dieselbe von der jetzigen Besitzerin obengedachten Ackerhofes, der verwitweten
Schulze Anna Elisabeth geb. Garz, bereitwillig der Gemeinde überlassen,
um bei dem Aufzuge gebraucht zu werden, der vor den alten Kriegern aus Jahren
1813 bis 1815 von den Landwehrmännern gehalten wurde. Sie wurde jedoch
von diesem Tage an nicht wieder an ihren früheren Aufbewahrungsort zurückgebracht,
sondern in der Kirche aufgehangen, zum Erinnerungszeichen für jedermann,
wie das Preußische Volk von jeher seinem Fürsten mit Gut und Blut
zu dienen bereit war.
Klein Engersen, den 17.März 1863
Der Schulze Berlin
Der Schöppe Weber
Der Schöppe Chrph. Schulze
Altmärker bewaffneten sich im Jahr 1675
Schon kreisen die Gedanken um die Jahreszahlen. Die Bauernfahne entstand im
Jahre 1675, als sich die Altmärker bewaffneten, um den Einfall der Schweden
in ihre Heimat zu verhindern. Die Fahne ist neben der in der Dannefelder das
zweite noch vorhandene Exemplar.
Im Jahre 1813 erhob sich das Preußische Volk gegen Napoleon. In inem Aufruf:
" An mein Volk" hatte König Friedrich Wilhelm III. seine Untertanen
zum Freiheitskrieg ermutigt. Die Kriegserklärung des relativ kleine Preußens
an Napoleon läßt sich nur mit dem neu entflammten Freiheitswillen
und nationalem Selbstbewußtsein der Bevölkerung erklären. Männer,
wie der Freiher von Stein, Fürst von Hardenberg und der Philosoph Fichte
mit seiner berühmten "Rede an die deutsche Nation", hatten dazu
beigetragen.Scharnhorst und Gneisenau schufen mit ihren Militärreformen
die taktischen Voraussetzungen für den Freiheitskrieg, der mit einem Sieg
über Napoleon endete.
Warum aber der kleine Ort Klein Engersen in seiner alten Feldsteinkirche diesen
Daten der preußischen Geschichte eine Erinnerugsstätte schuf, wird
wohl immer ein Rätsel bleiben.