Die Kraatzer Feldsteinkirche ist vom Verfall bedroht / Dorferneuerung als
Hoffnungsschimmer
Kraatz. Nach rund 500 jährigem Bestehen ist die Feldsteinkirche des Dorfes
Kraatz jetzt akut vom Verfall bedroht. Das Dach vom Turm und Kirchenschiff ist
an vielen Stellen undicht. Ungehindert dringt hier der Regen in das Gebälk
und hat schon sichtbare Spuren der Zerstörung hinterlassen. Ein breiter
Riß in der Kirchenwand gibt den Blick nach draußen frei.
Doch noch hofft die aus rund 30 Personen bestehende Kirchengemeinde auf ein
rettendes Wunder. Vielleicht bringt es ja die Dorferneuerung, die für den
Ort Kraatz für 1997 angekündigt ist. Rund 100.00 Mark schätzen
Optimisten für die nötigen Arbeiten ein, während die Schätzungen
der Realisten sich an der Grenze einer halben Million bewegen. Wer auch immer
Recht hat, ist zur Zeit aber unbedeutend, denn den nötigen Eigenanteil
zur Dorferneuerung kann die Gemeinde nicht aufbringen. Die Kirchenkasse ist
leer.
Das einst als Wehrkirche errichtete Bauwerk, über dessen Entstehung keinerlei
Unterlagen vorhanden sind, kann dem 15. Jahrhundert zugeordnet werden. In diesem
Zeitraum erfolgte ja in der Altmark eine zweite Welle des Kirchenbaues. Meist
handelte es sich dabei um turmlose, kapellenartige Bauten. Vorrangig wurden
dabei Feldsteine als Baumaterial verwandt. Ecken, Fenster- und Türrahmen
wurden aber, im Gegensatz zu den im 12. und 13. Jahrhundert ausgeführten
Bauten, schon in Backsteinbauweise ausgeführt. Erst in späteren Jahren
erhielten diese Kirchen ihren Turm. Er stand entweder separat neben der Kirche,
oder wie in Kraatz als Dachreiter auf dem Schiff.
Viele dieser, heute oft als Bauernkirchen bezeichneten Bauwerke, haben im Inneren
eine recht rustikale Ausstattung. Diese geht, wie auch in Kraatz, meist auf
das 17. Jahrhundert zurück. So weist die älteste Inschrift die Jahreszahl
1673 auf. Ein Asmus Wichmann hatte in diesem Jahr die Empore errichten lassen.
Aufzeichnungen über die sicherlich bewegte Vergangenheit dieser Kirche sind nicht mehr vorhanden. So kann auch der Kirchenälteste Otto Schultze nur aus der jüngsten Vergangenheit berichten. Danach erlebte die Kraatzer Kirche in den Jahren 1976 bis 1990 ihren stärksten Zuspruch. Es lag aber nicht an einer plötzlichen Frömmigkeit der Kraatzer, sondern nur an der Renovierung der Mutterkirche in Kläden. Deren Gemeinde wich nach Kraatz aus. Mit der Taufe seiner Enkelin im Jahre 1987 erlebt die Kirche ihre letzte Amtshandlung, so Schultze. Danach begann der Dornröschenschlaf. Auf den Prinzen aus diesem Märchen, der die Kraatzer Kirche wieder zu neuem Leben erweckt, hofft jetzt die ganze Gemeinde.
Ergänzung v. 15.März 1999
Kraatz. Als 1987 nach der Taufe der Enkelin des Kraatzer Kirchenältesten
Otto Schultze die Feldsteinkirche aus Gründen der Baufälligkeit geschlossen
wurde, glaubten nur einige Optimisten an ihre Restaurierung. Aber auch sie wurden
auf eine harte Geduldsprobe gestellt. Zwölf Jahre vergingen, bis sie jetzt
mit der neuen Turmspitze ihr Hoffen bestätigt sahen
Pastor Dr. Reinhard Simon wies in seinem Rückblick auf den stets festen
Glauben der Kraatzer Gemeinde an die Kirche hin. Als Wehrkirche im 13. Jahrhundert
errichtet, bot sie der Gemeinde Schutz. Wie viele Spuren beweisen, wurde an
ihr in den folgenden Jahrhunderten immer wieder gebaut und restauriert. So erhielt
sie ihren heutigen Fachwerkturm erst Jahrhunderte nach dem Kirchenbau. Genaue
Daten sind darüber aber nicht bekannt.
Das Aufsetzen der ersten Turmspitze im Jahr 1871 wurde dagegen renau registriert.
Die damalige Gemeinde begleitete die Arbeiten mit dem alten Lied: "Nun
danket alle Gott ...". "Diesem alten Brauch folgend, wollen
auch wir dieses Lied anstimmen", schloß Simon seine Rückschau.
Den beiden Dachdeckern, Günter Grulich und Lothar Winkelmann, fiel mit
dem Aufsetzen der Turmspitze der schwierigste Teil zu. Bestaunt von den zahlreichen
Zuschauern lösten sie diese Aufgabe aber mit Bravour.
Ergänzungen von Paul Meitz und Helga Räßler 20. Juni 2000
Kraatz. Das Wunder, auf das die Kraatzer Kirchengemeinde seit 13 Jahren gehofft
hat, ist mit der Einweihung ihrer Dorfkirche am Sonnabendnachmittag Wirklichkeit
geworden. Der Besucherandrang war dabei so groß, dass die Kirche nicht
alle Gäste fassen konnte. So erlebten viele den Einzug der Altargeräte,
Kruzifix, Bibel und Leuchter, nur außerhalb der Kirche mit. Dank einer
installierten Lautsprecheranlage konnten sie aber an der anschließenden
Andacht teilnehmen.
Der Arendseer Kirchenchor und der Klädener Männergesangverein umrahmten
den Freudentag musikalisch. Nach der Andacht entwickelte er sich zu einem wahren
Volksfest.
Bei Kaffee und Kuchen wurde auf die wechselvolle Geschichte der Kraatzer Kirche
hingewiesen. Im 15. Jahrhundert erbaut, erlebte sie mit der Schließung
wegen Baufälligkeit im Jahre 1987 wohl ihre dunkelste Stunde. Der Kirchenälteste
Otto Schultze erinnerte daran, das die Taufe seiner Enkelin damals die letzte
Amtshandlung in der Kirche war.
Vorwiegend in Eigeninitiative hatten die Kraatzer und Klädener die Kirche
auf Vordermann gebracht. Begonnen hatte Inge Westphal und Andy Wittstock, die
im Rahmen einer AB-Maßnahme von Mai 1999 bis Januar 2000 saubermachten
und sanierten. Handwerker, Helfer und viele Spenden halfen mit, die Deckenbalken,
Kanzel, Hamonium, Bänke und Fußboden zu erneuern.